Carl Carlton - Woodstock & Wonderland
Das im letzten Jahr erschienene Album „Lights Out In Wonderland“ hat Carl Carlton unter dem Eindruck des Todes seines langjährigen Freundes Levon Helm, dem legendären Drummer von „The Band“, eingespielt. Nun kommt der in Nordfriesland geborene Gitarrist auf Deutschlandtour. In einem Interview mit TONGEBIET erzählt Carlton von seiner Freundschaft zu Levon Helm, seinem Zweitwohnsitz Woodstock und die anstehende Tour, die ihn auch ins Dortmunder Piano führt.
„Kann ich Dich in zehn Minuten zurückrufen. Ich muss erstmal zum Auto zurückfinden. Wenn man gewissermaßen auf dem Land wohnt, dann ist das in Berlin garnicht so einfach. Ich melde mich gleich!“ Der baumlange Gitarrist, den die meisten Deutschen als Gitarrist von Maffay und Lindenberg kennen, ist gerade in Berlin, um mit seiner eigenen Band für die anstehende Tour zu proben. Über eine Dekade lang hat Carlton, der eigentlich Karl Walter Ahlerich Buskohl heiß, in Irland gewohnt. Inzwischen pendelt er zwischen Malta, genauergesagt der kleinen Nebeninsel Gozo und der amerikanischen Künstlerenklave Woodstock hin und her. Alles beschauliche Orte!
Im Laufe seiner fast 40-jährigen Karriere und seiner Arbeit mit Weltstars wie Joe Cocker, Eric Burdon, Robert Palmer, Willy DeVille und, und, und hat Carl alle Metropolen der Welt gesehen, aber der Verkehr in solchen Städten sei immer wieder eine Herausforderung, bemerkt Carlton, inzwischen im Auto durch Berlin fahrend und über die Freisprechanlage telefonierend. „In Woodstock lässt es sich wunderbar leben. Es ist nur zwei Autostunden von Manhattan entfernt und man ist hier mitten im Grünen. Inzwischen haben viele Musiker und Künstler diese Ecke wieder für sich entdeckt, weil die Mieten in Manhattan, im Village und sogar in Brooklyn einfach viel zu teuer sind.“ Der Geist der Künstlerkolonie Woodstock lebt. Das Festival hat übrigens nicht dort, sondern im 70 Km entfernten Bethel stattgefunden. Natürlich verbindet man Namen wie Bob Dylan und The Band mit dem 6000 Seelen Nest im Ulster County.
Es ist gewissermaßen das Worpswede der amerikanischen Ostküste
Die haben dort die legendären „Basement Tapes“ und das Meisterwerk „Music From Big Pink“ aufgenommen, aber auch Van Morrison, Thelonius Monk, Pat Metheny, Carlos Santana, Paul Butterfield, Ravi Shankar, David Bowie oder Todd Rundgren lebten dort und im Nachbarsort Bearsville. „Inzwischen sind sogar einige wieder hierher zurückgekommen. Die Mischung aus alten Hippies und jungen, weltoffenen Menschen macht es hier lebenswert. Auf zehn Einwohnern findest du hier vielleicht einen Republikaner. Und das ist gut so! Schon vor über 100 Jahren sind hier schon die ersten Maler und Schriftstelller hingezogen und haben den Geist der Gegend geprägt. Es ist gewissermaßen das Worpswede der amerikanischen Ostküste.“
Auf seiner Tour will Carl viel über den Mythos Woodstock erzählen, der ihn schon bevor er dorthin gezogen ist, indirekt musikalisch so tief geprägt hat. „Als ganz junger Spund habe ich den Film Easy Rider gesehen und in dem Film wird ‚The Weight’ von The Band gespielt. Ich hab’ dann versucht rauszufinden, wer den Song gespielt hat. Das war damals gar nicht so einfach. Man konnte Ende der 60er ja noch nicht einfach mal kurz googeln. Im Konzert spiele ich dann auch fast nur Songs, die dort entstanden sind. Songs, die ich dort aufgenommen habe, oder Coverversionen von Liedern, die dort von anderen geschrieben wurden. Muddy Waters hat zum Beispiel ein Album in Woodstock aufgenommen, deshalb spielen wir auch was von Muddy Waters. Oder auch von Howlin’Wolf. Ich habe in Woodstock in den Studios von Levon Helm zusammen mit Howlin’Wolfs Gitarrist Hubert Sumlin gejammt. Der alte Mann wäre damals fast über die Schläuche von Levons Beatmungsmaschine gestolpert.“
Das ist doch ein Fingerzeig
Carl hat viele Geschichten zum Thema Woodstock und Levon Helm auf der Pfanne. So auch diese, die eine gleich beim Zuhören eine Gänsehaut bereitet. Carl erzählt, wie er in Woodstock in einem Store einkaufen war und von einer alteren Dame mit Südstaaten Zungenschlag wegen seiner Körpergröße angesprochen. Sie fragt Carl wo er herkäme? Deutschland! Und was er hier mache? Mit Levon Helm, das wäre der Drummer von The Band, würde er im Studio arbeiten, antwortete Carl. Worauf die Dame lächelt und ihn fragt, wie er denn heiße? Carl! Freut mich Carl, ich bin Anna Lee, antwortete die Lady und hinterließ einen konstanierten Carl. Dazu muß man wissen, dass Anna Lee eine der tatsächlich lebenden Protagonisten aus dem an sich ziemlich surrealen Text von „The Weight“ ist. „Was ist das denn für eine Fügung“, bemerkt Carl: „40 Jahre nachdem ich den für mich so wichtigen Song zum erstenmal gehört habe, treffe ich Anna Lee. Stell’ dir vor, ich hätte sie um fünf Minuten verpasst. Das ist doch ein Fingerzeig, dass mein Leben nicht ganz so schlecht verlaufen ist.“
Im Netz gibt es viele geniale Versionen von „The Weight“, besonders Aufnahmen, die nach Helms Tod bei Tribute-Veranstaltungen aufgenommen wurden. Bruce Springsteen würdigte den Band-Leader nach dessen Tod mit einer bewegenden Version und auf der Tributeveranstaltung „Love For Levon“ singen John Hiatt, Gregg Allman, Warren Haynes, Roger Waters, Mavis Staples, My Morning Jacket und ein Dutzend Stars der Americana-Szene die Hymne. Besonders empfehlenswert eine Version, bei der der Drummer noch selbst mitwirken konnte. Elvis Costello hatte eine All-Star-Band zusammengestellt. Elvis und Levon, dazu Nick Lowe, Ray LaMontagne, Richard Thompson, Allan Toussaint. Ein Traumband und großartige Version. „Ich habe den Song oft gespielt. Einmal mit dem großartigen John Hiatt. Meine Lieblingsversion ist aber die von The Band mit den Staples Singers aus dem Film The Last Waltz“, merkt Carl an.
„Revolution Avenue“, seine erste Platte mit den Songdogs

Carl Carlton zusammen mit Pascal Kravetz. Foto: AWi
Kennengelernt hatten er Levon als er „Revolution Avenue“, seine erste Platte mit den Songdogs, aufgenommen hat. „Wir waren damals in einem Studio in Louisiana, in der Nahe von Lafayette. Sumpfland, so wie man es aus Down By Law, dem Film mit Tom Waits kennt. Tolle Atmosphäre!“ Carlton hatte dort einige namhafte Freunde zusammengetrommelt. Tastenmann Ian McLagan (Small Faces, Rolling Stones) war dabei, Moses Mo und Wyzard von Mother’s Finest und Slide-As Sonny Landreth. Auch Stones-Saxophonist Bobby Keys, The Band-Tastenmann Garth Hudson und Robert Palmer gehörten zur losen Besetzung der Band. Irgendwann sagte jemand, dass Levon Helm sich das mal anhören solle, es wäre genau sein Fall. Tatsächlich war Helm begeistert und hat sich, weil er unter Flugangst leidet, sofort ins Auto gesetzt und ist die lange Strecke von Woodstock in den tiefen Süden gefahren. Beide hatten sofort einen Draht und es entwickelte sich eine großartige Männerfreundschaft.
Umso härter war der Einschnitt, als Helm starb. „Erst hab’ ich mit Robert Palmer meinen ‚Bruder’ verloren und dann ist mein freundschaftlicher ‚Vater’ gestorben. Das hat mich wirklich eine Zeit gelähmt.“ Zu Beginn des Jahres gingen mit Ian McLagen und Bobby Keys, dann kurz hinter einander noch zwei weitere gute Kumpels. Carl hätte noch viel zu erzählen, von den Aufnahmen zum Song „Toast of Freedom“, den er zusammen mit Bob Dylans Gitarrist Larry Campbell zum 50. Geburtstag von Amnesty International geschrieben hat, zum Beispiel. Kris Kristofferson, Warren Haynes, Donald Fagen, Keb Mo, Rosanne Cash, Marianne Faithfull, Jimmy Barnes, Jane Birkin, Eric Burdon haben da mitgemacht. Mit Steely Dan-Mastermind Donald Fagen würde er in letzter Zeit öfter die Köpfe zusammenstecken, sagt Carl und auch darüber hätte er noch gerne erzählt, aber nach über einer Stunde ist er schließlich am Ziel angekommen und nun sind die Proben angesagt. Am 8.12. beginnt die Tour in Berlin, im TONGEBIET spiel Carl auch, in Dortmund, Osnabrück und Brilon.
Termin(e) im TONGEBIET:
Datum | Beginn | Ort | Informationen |
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10.12.2015 | 20:00 | Musiktheater Piano Lütgendortmunder Str. 43, Dortmund | Tickets: VVK 24 Euro zzgl. Gebühren / AK 30 Euro |
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