Miles Davis

Miles Davis | 5. November 1987 | Vesthalle Recklinghausen

Es waren legendäre Konzerte im TONGEBIET. Auch, wenn es zum Teil sehr lange her ist, sind die Erinnerungen noch wach, als hätten die Musiker gestern erst hier gerockt. TONGEBIET möchte an diese Sternstunden in der Serie „History“ erinnern. Heute: Miles Davis am 5. November 1987 in der Vesthalle Recklinghausen.

Miles Davis in Recklinghausen. Man mag es kaum glauben, aber 1987 trat die Legende im TONGEBIET  im Rahmen einer kleinen Tour in der Vestlandhalle auf, damals nicht gerade mit Flair, eher hässlich und unbestuhlt - noch ungastlicher. Eigentlich war es in nur möglich, den glamourösen Trompeter auf großen Festivals oder in noblen Konzertsälen zu erleben. Aber ’87 gab es tatsächlich eine Tour, die Miles einige Tage später nochmal ins TONGEBIET führen sollte. Im Jovel in Münster gab es sogar ein Club-Konzert. Auch das habe ich gesehen. Insgesamt zehn Mal durfte ich Miles zwischen 1984 bis zu seinem Tod 1991 live erleben und ausgerechnet der Auftritt in Recklinghausen sollte der bemerkenswerteste werden. Natürlich hätte ich Miles auch gerne in den 60ern mit Quintett, oder bei seinem Aufbruch ins elektrische gesehen, aber wegen der späten Geburt blieb mir nur der Pop-Star Miles Davis. Besser als gar nicht und selbst in dieser, seiner Spätphase, war der Meister noch genial und umwerfend und von einer unglaublichen Aura - Der unumstrittene Chef im Ring.

Wieder hatte Miles sein gutes Gespür bewiesen und gute, junge Talente entdeckt, um sie in die Band zu holen. Alt-Saxophonist Kenny Garrett war im März zur Band gestoßen, hatte Bob Berg abgelöst, und im Mai hatte Foley McCreary mit seinem Lead-Bass – einem höher gestimmtem viersaitigem Bass, der wie eine Gitarre klang - sich in die Ahnenreihe der Gitarristen geschlichen. Ich hatte die Miles Davis Band zuvor mit Gitarristen wie John Scofield, Robben Ford und Garth Webber gesehen, aber irgendwie passte dieser Foley, der so aussah als wäre er von George Clinton‘s Funkadelic zu Davis gewechselt, am besten zum urbanen Pop-Jazz-Funk den Miles in den Jahren präsentierte. Bassist Darryl Jones, der später zu Sting wechselte, um dann Bill Wyman bei den Stones zu beerben, war schon damals, obwohl erst 25 Jahre alt, in der Band etabliert und seit fünf Jahren dabei, so wie auch die beiden Keryboarder Robert Irving III und Adam Holzman.

Ein ganz großer Abend in Recklinghausen

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Miles Davis 1987. Foto: Uwe Meyer

An den Drums saß Ricky Wellman und an den Percussionisten kann ich mich nicht mehr erinnern. Auch in den 80ern hat es da schon besseren Besetzungen gegeben, und trotzdem wuchs die gesamte Band an diesem Abend über sich hinaus. Allen voran der Miles himself, der eine unglaubliche Spielfreude entwickeln sollte. Grace Jones‘ “It‘s Only The Rhythm“ mit seinen unglaubliche Stereoeffekten als Loop vom Band läuteten die Gigs in der Ära ein und die Band beginnt mit „One Phone Call“ und „Street Scenes“. Miles in seinen selbstentworfenen Klamotten, mit glitzernder Schlabberhose und den obligatorischen Schulterpolstern, die den schmächtigen Davis mächtiger erscheinen lassen sollen, genau wie die frisch transplantierte lockige Löwenmähne. Alles eitler Schnickschnack, denn der King wäre er sowieso. Weil ich wirklich das ganze Konzert über im Fotografenschacht stehen bleiben durfte, konnte ich aus der Nähe sehen wie der Chef mit seiner Youngster-Truppe agiert. Auf Blickkommando zitierte Mr. Davis die Solisten zu sich, um ein Solo von ihnen zu fordern.

Dabei fixierte Davis mal Foley, mal Garrett, Jones oder auch die dann mit Umhängekeyboards ausgerüsteten Tastenmänner, in dem er mit seinen Leopardenmuster-Creepern auf deren Füße trat, um sie erst dann wieder frei zu lassen, wenn ihm das Solo gut genug war. Das war seine Art, die Youngster in Scene zu setzen. Und mitunter konnte so ein Solo dann auchr 10 Minuten dauern. Im ersten Set gab es mit Michael Jacksons „Human Nature“ und „Perfect Way“ vom britischen New-Wave-Soul-Project Scritti Politti schon zwei der bekannten Pop-Hits des Trompeters dazu u.a. „Star People“. Nach gut 70 Minuten geht die Band von der Bühne. Gut, jetzt kommt er wieder spielt noch „Time After Time“ und vielleicht „Full Nelson“ und den damals obligatorischen Spät-Klassiker „Jean Pierre“ und das Konzert ist nach 90 Minuten vorbei, dachten wohl viele. Keiner hätte sich beschwert und man hätte ein bis dahin gutes Konzert einer großen Legende gesehen.

Doch es sollte anders kommen. Keiner weiß wieso, aber irgendwie war Miles Davis wie aufgedreht und bestens gelaunt. Statt zwei Nummern als Zugaben folgten nochmal 70 Minuten mit Cindy Laupers „Time After Time“ und „Don‘t Stop me Now“ von Toto. Die Originale konnte ich nie ausstehen, aber wenn Miles sie mit seinem warmen Trompetenklang veredelt, waren es Pop-Juwelen. Am Ende des ersten Zugabenblocks durfte die Rhythmusgruppe bei „Carnival Time“ aufdrehen und dem abschließenden „Thomaas“ duellierten sich Miles und Kenny Garrett. Ein atemberaubender Abschluss. Nichts da! Miles kam nochmal wieder. Die Glanznummer „Jean Pierre“, das feurige „Burn“ und das 30-minütige „Portia“. Ein wunderbarer melancholische Ausklang eines ganz großen Abends in Recklinghausen!

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