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Raphael Wressnig – Soulful B3

Mit seiner Hammond B3 gehört der Österreicher Raphael Wressnig zu den internationalen Top-Organisten. Sein Metier Blues, Jazz und Soul. Gerade ist sein neues Album „Soul Gumbo“ (Pepper Cake/Zyx) erschienen. TONGEBIET sprach mit dem zur Zeit coolsten Hammond-Master über sein neues herausragendes Album, seinen Landmann Joe Zawinul und das groovende Möbelstück, namens B3.

Ich habe gehört, dass Du gerade in Lateinamerika bist und auch TV Shows in Brasilien spielst?

Raphael Wressnig: Ja, ich bin gerade in Brasilien und Chile unterwegs und spiele mein aktuelles Programm. Unterstützt werde ich dabei vom Gitarristen Igor Prado und seiner Band.

Wie kommt es zu der Lateinamerika-Connection?

Raphael Wressnig: Mein Freund und langjähriger Weggefährte „Sax“ Gordon hat im Sommer 2013 eine Band für das Porretta Soul Festival in Italien zusammengestellt: „Sax“ Gordon’s Soul Caravan feat. Raphael Wressnig & Igor Prado. Das hat dort großartig funktioniert. Ich hatte Igor davor schon gekannt, dann aber noch klarer gesehen, dass es sich stilistisch herrlich überschneidet und er ist einer der zupackendsten Gitarristen überhaupt ist. Später habe ich einen Track als Gast auf seiner im Frühjahr erscheinenden CD für das Delta Groove Label (u.a. mit Kim Wilson, Rod Piazza, Junior Watson, Mud Morganfield, Sugaray Rayford, Lynwood Slim) gespielt und wir haben diesen Sommer ein paar Festival Auftritte in Europa absolviert. Daraufhin wurde ein Festival in Brasilien auf mich aufmerksam. Als Igor dann meine Show angeboten hat sind dann sogar drei Wochen Tour daraus geworden.

Tourst Du eigentlich noch in den Bands anderer Musiker, oder konzentrierst Du Dich nur noch auf dein Projekt?

Raphael Wressnig: Ich spiele vor allem mit meiner Band: „Raphael Wressnig & The Soul Gift Band“. Silvio Berger aus Wien spielt Schlagzeug, Alex Schultz oder Enrico Crivellaro spielen Gitarren. Manchmal mit Horns, manchmal ohne und manchmal laden wir uns die Chicago-Blues & Soul-Sängerin Deitra Farr als Gast ein. Ein zweites Projekt, das mir am Herzen liegt, ist: „Raphael Wressnig & Soul Gumbo feat. Craig Handy & Johnny Vidacovich“. Johnny ist eine absolute Legende an den Drums. Von Professor Longhair und James Booker bis hin zu Dr. John und John Scofield. Er hat überall gespielt. Ich trete immer wieder als Gast von einigen Bands auf und habe ein Programm mit meinen Songs für Big Band. Es gibt noch ein gemeinsames Projekt mit dem Österreichischen Saxophonisten Harry Sokal mit dem Namen „Groove“. Ansonsten spiele ich in keinen Bands und möchte meine Band ins Rampenlicht stellen und meine Musik in den Vordergrund rücken.

Wie bist Du überhaupt zur Hammond B3 gekommen?

Raphael Wressnig: Ich habe im Bandkontext als junger Musiker und Tasteninstrumentalist mit verschiedensten Sounds experimentiert. Da waren einige, die für mich gut funktioniert haben: Piano, E-Pianos und vor allem Orgel-Sounds. Irgendwann hat sich immer mehr der Hang zu Orgel entwickelt. Für mich hat das mehr Ausdrucksmöglichkeit und auch mehr Power gehabt. Mit 19 ist dann so ein Möbel ins Haus gekommen.

Nach Joe Zawinul bist Du ja ein weiterer Österreicher, der international und besonders in den USA anerkannt ist. 2013 hast Du den Downbeat Critcs Poll als bester Organist gewonnen. Eine schöne Bestätigung?

Raphael Wressnig: Um genau zu sein, war es die Nominierung zum Downbeat Critics Poll. Gewonnen hat dann Lonnie Smith oder Joey DeFrancesco. Trotzdem war das eine schöne Bestätigung als Europäer, in dem doch sehr amerikanisch geprägten Medium geehrt zu werden. Ich sehe das aber als Folge eines langen Prozesses. Meine letzten Platten haben alle eine recht gute Rezensionen in den Staaten gehabt. In Europa tun sich manche Leute schwerer damit: Ist es nun Blues, ist es R&B, doch eher Jazz, Soul oder Funk? In den USA hängt das viel mehr zusammen. Ich verwende nun „Heavy Organ Soul & Funk“.

Sein Sound hat sich gewandelt

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Hast Du Joe Zawinul eigentlich mal persönlich kennen gelernt?

Raphael Wressnig: Einige Male habe ich ihn getroffen. Mit meiner Band hatten wir mehrmals die Ehre, in „Joe Zawinul’s Birdland“ in Wien zu spielen und sein Sohn Erich hat inzwischen für meine Band gebucht.

Hat „Slivovitz For Joe“ eigentlich was mit Joe Zawinul zu tun?

Raphael Wressnig: Kennst Du den Song „Slivovitz Trail“, den Joe Zawinul mit dem Zawinul Syndicate gespielt hat? Jeder, der Joe Zawinul abseits der Kulissen getroffen hat weiß, dass er ganz gern mal einen Slivovitz genossen hat.

Wieso hast Du den Song eigentlich nochmal neu eingespielt? Der Song ist ja auch schon auf „Party Factor“. Die ursprüngliche Version klingt auch wirklich mehr nach Zawinul, wobei mir persönlich die vom neuen Album besser gefällt!

Raphael Wressnig: Ich finde das Großartige an Joe Zawinul war unter anderem, dass sich sein Sound sehr gewandelt hat. Es geht bei dem Song nicht unbedingt darum, den Zawinul Sound zu imitieren. Ich liebe die frühen Zawinul-Aufnahmen und die Ära mit Cannonball Adderley. Es gibt auch eine New Orleans Verbindung von Joe Zawinul. Joe war ein guter Freund von Willie Tee; Willie Turbington von den „Gators“. Der Bruder von Earl Turbington, der auch bei Cannonball gespielt hat. In New Orleans erzählt man sich, dass Joe den Hook von „Mercy, Mercy, Mercy“ in New Orleans bei Willie Tee aufgeschnappt hat. Der Beweggrund, den Song wieder aufzunehmen, war auch folgender: Ich war mir sicher, dass dieses Album eines ist, wo viele Leute erstmals auf mich stoßen werden. Aus diesem Grund wollte ich starke „Originals“ am Album haben. An den zwei Tagen im Studio habe ich 13 Songs und insgesamt knapp 80 Minuten Material aufgenommen. Nach der Session und beim Mixing war mir dann klar, dass das zu viel für eine CD sein wird. Aus diesem Grund habe ich dann die Tracks aufgeteilt. Die CD enthält einen bunten Mix und auf der LP (das Album erscheint auch auf Vinyl) findet man die Groove (Soul & Funk) Tunes; In der „Digital Deluxe Edition“ das gesamte Material. Es war eine schwierige Entscheidung, welche Songs ich auf welches Medium packen sollte. Für die CD habe ich mich dann für meine Komposition „Slivovitz For Joe“ entschieden. Auf der Vinyl Edition gibt es zusätzlich noch „Weak Sauce“ zu hören. Der Song schlägt in die gleiche Kerbe und bietet eine feinen Performance von Schlagzeuger Stanton Moore, der auch mit dem Keyboarder Rober Walter (von den Greyboy Allstars) der Komponist des Tracks ist.

Gerade ist Deine neue Platte „Soul Gumbo“ erschienen. Großes Kino! Du hast das Album in New Orleans aufgenommen. Erzähl mal was zur Produktion?

Raphael Wressnig: Begonnen hat alles im Jahr 2012 in Memphis. Ich habe dort bei den Blues Music Awards Stanton Moore getroffen. Stanton ist Gründungsmitglied und treibende Kraft der Jam-Band „Galactic“ und einer der bekanntesten Schlagzeuger aus New Orleans. Eigentlich muss ich noch weiter zurückgehen: Ich habe immer schon den Musik-Mix aus dem „Big Easy“ geliebt. Dazu kam dann, dass ich in meinen frühen Zwanzigern begonnen habe, mit dem Blues-Man Larry Garner weltweit zu touren. Larry ist in New Orleans geboren und lebt in Baton Rouge. Mit Larry habe ich auch 2011 wieder einige Konzerte in Louisiana gespielt, habe mehr und mehr Musiker aus Louisiana und New Orleans kennengelernt. Zusätzlich wollte ich den Stilmix, den ich pflege, noch weiter zusammenführen. Für mich mischt sich das in keiner Stadt so wunderbar und homogen wie in New Orleans. Der „Big Easy“ gilt als die Wiege des Jazz, dennoch ist die Stadt auch für seinen Rhythm & Blues, Rock & Roll und nicht zuletzt auch für den New Orleans Funk bekannt. In der „Crescent City“ verschmilzt das so wunderbar und funky. Meine Musik stellt auch ein Amalgam aus Soul, Funk, Jazz, R&B und Blues dar und ich wollte auch zusätzlich eben einen New Orleans Schwerpunkt setzen.

Ich habe aber zunächst einmal zwei loyale Partner mitgebracht: Alex Schultz, in NYC geboren der schon auf vielen meiner letzten Alben zu hören, und den Saxophonisten Craig Handy. Craig hat unlängst auch ein Album mit New Orleans Schwerpunkt aufgenommen. Mit Herlin Riley und Jason Marsalis an den Drums und Wynton Marsalis und Dee Dee Bridgewater als Gästen. Alex’ Familie ist aus New Orleans und er hat auf einigen legendären Black Top Aufnahmen (u.a. mit Earl King) die in New Orleans entstanden sind gespielt. Stanton Moore habe ich schon erwähnt. New Orleans ist eine Stadt der Drummer und Stanton ist eine Instanz in Sachen Funk- und New Orleans-Style Drumming. Der Trompeter Eric Bloom von den Funkbands Soulive und Lettuce ist gerade von Boston nach New Orleans gezogen. Eric hat schon auf 3 von meinen früheren Alben gespielt. Es lag nahe auch ihn mit ins Boot zu holen. Das war sozusagen die Core-Band. Dazu kommen einige Gäste, vor allem die Vokalisten Jon Cleary, Walter „Wolfman“ Washington, Larry Garner und Tad Robinson. Larry hatte ich schon erwähnt. Tad hat schon auf meinem „Soul Gift“ Album gesungen und er war Gast bei meinem Auftritt beim Dubai Jazz Festival letzten Februar. Ich habe auch den ersten Track mit Bass für ein Solo-Album von mir aufgenommen. Als Organist spielt man ja den Bass mit den Bass-Pedals oder der linken Hand oder beides. Diese Tradition führe ich ja fort und habe aus diesem Grund auf meinen Alben nie auf einen Bassisten zurückgegriffen. Es hat einen coolen Twist, dass jetzt der erste Track mit Bass gerade mit dem legendären „The Meters“ Bassisten George Porter, Jr. entstanden ist.

New York übt eine Anziehungskraft aus

Klingt so ein Album anders, wenn man es dort aufnimmt, wo die Musik eigentlich auch geboren wurde? Ist es nur Inspiration, oder klingt es auch anders, weil die Musiker, die mitspielen, das ganze einfach noch selbstverständlicher klingen lassen?

Raphael Wressnig: In der Musik ist es so wie in der Küche. Es gibt auch tolle Pizza in NYC, in Wien, in Berlin, aber es geht vor allem um die Zutaten, die Gewürze. Aus diesem Grund gibt es halt generell in Italien die beste Pizza. Wenn Du die richtigen Zutaten mitbringst, kriegst Du sie auch anders wo gut hin, aber ganz generell ist es dort gut wo es herkommt und Du eben alle Zutaten findest. Ich habe die Zutaten für die New Orleans Färbung dort gesucht. Anscheinend übt New Orleans überhaupt eine Anziehungskraft auf Musiker aus. Nils Landgren hat ein Album mit Joe Sample dort gemacht, Jon Scofield schon zwei New Orleans Alben. Ich wollte diesen Trend nicht folgen, bei mir hat sich das vielmehr aus meiner Geschichte und meiner Musik so ergeben und ich liebe diese Stadt und ihre Musik und ich wollte ein Album entstehen lassen, dass sich auch dort durchsetzt und Anklang findet, meinen Sound dorthin mitbringen, meinen Sound mit den Gewürzen der Stadt versetzen ein würziges Gumbo kreieren. SOUL GUMBO!

Es spielen ja auch einige bekannte Leute wie Jon Cleary und Wolfman Washington mit. Wie kam das zustande?

Raphael Wressnig: Ich habe Jon bei einem Festival Auftritt in Ungarn kennengelernt. Andy Lösche mit dem ich auch zusammenarbeite hatte ihn dorthin gebracht. Es war gerade die Zeit bevor Jon das Album „Piety Street“ mit Jon Scofield aufnahm. Walter „Wolfman“ habe ich in New Orleans kennengelernt. Für mich einer der grossartigsten Musiker aus New Orleans. Keiner spielt R&B so funky wie er.

Irgendwie klingt die Hammond immer irgendwie Retro – das gefällt mir persönlich ja sehr – sieht man mal von John Medeski ab, fällt mir niemand ein, der versucht mit der Hammond zu experimentieren. Hast du nicht mal Lust noch weiter in die Richtung zu gehen?

Raphael Wressnig: Ich würde nicht nur „retro“ sagen. Hammond hat was warmes, hat „Soul“ bzw. der Sound bringt eine Blues-Färbung mit. Auch wenn man Jazz spielt. Die Hammond hat unzählige Ausdrucksmöglichkeiten. Einige davon sind klassisch, bringen eben diese gewohnte Färbung mit. Ich würde sagen, ich experimentiere auch viel mit den Sounds. Versuche vor allem bei einer Live-Show buchstäblich alle Register zu ziehen. John Medeski ist ein großartiger Musiker und ich schätze ihn als jemanden, der viele Impulse gesetzt hat und neue Möglichkeiten auf dem Instrument ausgelotet hat. Mir geht das manchmal aber zu weit. Wenn es immer nur Sounds sind und der zupackende Hammond Sound, die Hammond brennt, da fehlt mir etwas. Ich sehe meine Rolle als Organist eher so das ganze Potenzial dieses Instrumentes zu zeigen, zu zeigen wie mächtig es sein kann und wie fragil, wie „funky“ und „dirty“ und wie sanft. Dazu gehört für mich auch ein der klassische Hammond Sound a la Jimmy Smith oder Jimmy McGriff.

Es geht ums Vermitteln von Emotionen, Grooves, Leidenschaft, Herz

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Ich hab so das Gefühl, dass speziell in Deutschland, die Leute, wenn es um Blues und Rhythm & Blues geht, eher auf Gitarristen abfahren und sich mit Bläsern, oder einer Hammond immer etwas schwer tun. Bist Du deshalb im Ausland bekannter und anerkannter?

Raphael Wressnig: Da hast Du sicher zum Teil recht damit. Das hat mit Entwicklungen in einer Szene zu tun, denke ich. Es gibt immer wieder Katalysatoren, die das beeinflussen. Bands mit einem Bläser als Frontmann, oder auch Instrumental-Bands, oder von einer Hammond getragene Bands, Booker T. & The MGs sind ein schönes Beispiel, gehören genauso zum Blues oder Soul und sind ein wesentlicher Bestandteil davon. Ich habe eben das Bild bzw. den Sound im Ohr, dass die Hammond die Rolle des Leadinstrumentes bzw. Sängers übernimmt. Die Band trägt. Es geht doch schlussendlich um das Vermitteln von Emotionen, Grooves, Leidenschaft, Herz. Das kann ein Sänger vermitteln aber auch ein anderes Instrument. Ich lade hin und wieder Gastsänger ein. Diese sind dann oft Blues-Shouter oder wirklich tolle Soul-Stimmen. Jemand, der zum dichten und druckvollen Bandsound hinzufügen kann. Mein Ansatz ist, dass eben die Leidenschaft, die vielen Klangfarben der Hammond, die schmatzenden Grooves die Leute packen, sich ein gutes „Feeling“ einstellt und man nicht anders kann als im Publikum selbst zu „grooven“! Andere Länder sind anders geprägt und Leute haben andere Hörgewohnheiten und sind offen für diesen Ansatz. In diesen Ländern sind wir gern gesehene Stammgäste. Egal ob das nun der Balkan, Russland, das Baltikum, die USA, Dubai oder Lateinamerika ist.

Trotzdem scheint es wieder einmal ein Comeback der Hammond B3 zu geben. Da gibt es auch noch Bands wie Cookin‘On 3 Burners (großartiges australisches Projekt) oder Sugarmen 3. Oder ist das einfach nur Zufall, dass es im Moment so einige exzellente Hammond-Alben gibt?

Raphael Wressnig: Ich glaube handgemachte Musik hat ein Comeback und einige Retro- und Soul-Künstler waren erfolgreich. Egal, ob das Amy Whinehouse oder andere Acts waren. Das prägt die Szene. Zu diesem Sound gehört die Hammond auch hinzu. Das beflügelt wieder Acts, die in diese Richtung arbeiten und diese bekommen mehr Aufmerksamkeit. Die B-3 ist ein Klassiker. Die wird es immer geben. So wie es Orchester oder Big Bands immer geben wird oder auch Gitarren-Bands. Momentan ist es gerade „hip“. Ich habe aber auch vor einigen Jahren schon Orgel gespielt und CDs aufgenommen. Ich versuche ja selbst, auch mit meinen Alben und mit meinen Konzerten dieses Instrument bzw. diesen Sound ins Rampenlicht zu rücken.

        
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